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Forschungsschwerpunkte

FSP: „Geschichtsaneignung in der Mediengesellschaft“ (GAME)

Mediendiskurse über die Vergangenheit setzen Maßstäbe für die Selbstverständigung und für die Selbstorientierung von Gesellschaften. Auf unterschiedlichsten Plattformen im Internet, vor allem in Sozialen Medien und in zahlreichen Computerspielen werden Tag für Tag Millionen Nutzer*innen zu Mit-Autor*innen historischer Narrative.

In Hashstags wie #30jahreeins auf Twitter (https://twitter.com/ARD_Presseclub/status/1304083845931827205   ) oder in Games wie Battlefield V (https://forums.battlefield.com/en-us/discussion/185962/battlefield-v-is-about-the-immersion   ) werden die User*innen zum Mit-Leben und zum aktiven Neu-Gestalten von Erinnerung aufgefordert. Das zeitigt auch für traditionelle Vermittlungsagenturen wie die Schulen, die Gedenkstätten und auch die Universitäten Folgen.

Denn der immer größer werdenden Zahl dieser historischen und historisierenden Angebote steht bis heute nur eine überschaubare Zahl belastbarer empirischer Studien zu den Modi ihrer Rezeption gegenüber. In dem interdisziplinären und internationalen Forschungsverbund „Geschichtsaneignungen in der Mediengesellschaft“ untersucht die Professur für Geschichte der Neuzeit, wie welche Publika diese neuen multi- und crossmedialen Offerten des Historischen nutzen bzw. sich aneignen.

* Die Diskursgeschichte von DDR-Vergangenheit auf Twitter: Akteur*innen und Strukturen, Themen und Inhalte, gesellschaftliche Dynamiken und politische Dimensionen digitaler Aushandlungsprozesse des Historischen werden auch in zahlreichen online geführten Debatten über die DDR deutlich. Das Dissertationsprojekt untersucht die Aushandlungen von Geschichte(n) auf dem Microblogging-Dienst Twitter. Das Projekt möchte damit einen theoretischen, methodischen und vor allem empirischen Beitrag zur Erforschung von Geschichtsschreibung und Geschichtsaneignung auf Twitter leisten.

Dissertationsprojekte:

Kalinna, Yvonne: "Gedenkstätten als Medien der Erinnerungskultur".

Scholz, Robert: "#Unrechtsstaat. DDR-Vergangenheit auf Twitter - Aushandlungsprozesse und diskursive Deutungsmuster".

FSP: Kriegs- und Besatzungskinder

Der Lehrstuhl für die Geschichte der Neuzeit erforscht aus kulturhistorischer und historisch-anthropologischer Perspektive die Erfahrungen von Kriegskindern im 20. Jahrhundert sowie ihre Folgen für das 21. Jahrhundert. Auf dieser Basis wurden übergreifende Projekte in Forschung und Lehre profiliert.

Im Frühjahr 1945 marschierten die Truppen der Alliierten in Deutschland ein. Neun Monate später kamen die ersten „Besatzungskinder“ zur Welt. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass im ersten Nachkriegsjahrzehnt etwa 400.000 Kinder geboren wurden, deren Väter Besatzungssoldaten waren; nur in den seltensten Fällen erkannten diese ihre Vaterschaft amtlich an. Die „Besatzungskinder“ trugen ein doppeltes Stigma: Sie waren von unehelicher Geburt und Kinder einer Beziehung mit dem „Feind“. Ihr soziales Umfeld grenzte sie nicht selten aus, verhöhnte sie und misshandelte sie zuweilen auch körperlich. Bei vielen „Besatzungskindern“ machten sich die Folgen solcher individual­psychischer und psychosozialer Erfahrungen erst nach Jahrzehnten bemerkbar. Heute, mehr als sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, beginnen Betroffene sich in öffentlichen und semiöffentlichen Foren zu artikulieren.

Das Forschungsprojekt trägt diesen biographiegeschichtlichen Bedürfnissen Rechnung, indem es die Aufarbeitung dieser individuellen Geschichte(n) wissenschaftlich dokumentiert und begleitet – und als Beitrag zu einer Geschichte der beiden deutschen Gesellschaften wie auch der Geschichte Europas versteht.

Dissertationsprojekte:

Glöckner, Ann-Kristin: „'Das Staunen nahm kein Ende.' – Begegnungen  zwischen Besatzer*innen und Besetzten im Alltag der französischen  Okkupation Südwestdeutschlands (1945-1955)"

Hubbe, Sophie: "Erinnerungen deutscher Besatzungskinder und -enkelkinder: Zwischen individuellen Lebensgeschichten und kulturellem Gedächtnis"

FSP: Kulturen des Ländlichen

Ländliche Räume sind zu Krisenregionen geworden – nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern überall in Europa. Bedeutungslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Zukunftslosigkeit: Das sind Attribute, die „dem Land“ vielfach zugeschrieben werden. Wer auf dem Land wohnt und arbeitet, fühlt sich abgehängt. In diesem Forschungsschwerpunkt möchten wir die Kulturen des Ländlichen aus zeitgeschichtlicher Perspektive neu entdecken und untersuchen: die Erfahrungen und Erwartungen, die Potenzen und Potentiale, die Ressourcen und Resilienzen seiner Bewohner*innen.

Erfahrungswissen der Menschen im Wittenberger und Mansfelder Land: Dieses Forschungsprojekt erarbeitet in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte in der Lutherstadt Wittenberg das akkumulierte Erfahrungswissen von Menschen in zwei Regionen Sachsen-Anhalts. Unsere Grundfragen sind: Wie ging und wie geht die Bevölkerung im vergangenen Jahrhundert mit krisenhaften Herausforderungen um? Stützt sie sich dabei auf ein tradiertes, spezifisch ländliches Erfahrungswissen? Und: wie kann die Gesellschaft als Ganzes heute davon profitieren? In Rahmen einer erfahrungsgeschichtlichen Längsschnittstudie werden wir in interdisziplinärer Kooperation mehrere Hundert lebensgeschichtliche Interviews auswerten, die im Jahrzehnt nach der Friedlichen Revolution 1989 entstanden sind.

Unser Kooperationspartner ist der Verein Pflug e.V./Haus der Geschichte Wittenberg.

Dissertationsprojekte:

Keller, Johanna

FSP: Geschlechter- und Sexualitätsgeschichte als Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhundert

Ein Fokus dieses Forschungsschwerpunktes ist die Analyse und Dekonstruktion von gesellschaftlich gemachten Arrangements, die Geschlechterverhältnisse und Sexualität betreffen. Konstruktionen von Geschlecht, die politisch ausgehandelt werden, sind Arenen der Aushandlung von Macht. Ferner geht es vor allem auch um die Perspektive derjenigen, die außerhalb der Norm standen und stehen.

Dazu gehören zum einen die Thematisierung von nicht ausschließlich heterosexuellen Personen und Menschen, die sich nicht in den rigiden Anforderungskatalog von „männlich“ - „weiblich“ einfügen konnten oder wollten, wurden und werden. Eine Geschlechter- und Sexualitätsgeschichte als Gesellschaftsgeschichte setzt bei der Untersuchung der Geschlechterbinarität an. Die natürlich wirkende kulturelle Einordnung von Körpern in sich gegenüberstehende Kategorien Mann/Frau – also die ausschließliche, komplementäre Zweigeschlechtlichkeit -  ist keine überzeitliche Konstante. Sie ist ein historisch spezifisches Produkt.

Ohne die moderne Konstruktion der Komplementarität der Geschlechtskategorien ist die Konstruktion des dichotomisch gedachten Gegensatzpaares „Heterosexualität“ - „Homosexualität“ nicht möglich. Ohne feste und begrenzte vergeschlechtlichte Körper keine feste und begrenzte Sexualität. Menschliche Sexualität ist gleich wie die Konzeptualisierung und Materialisierung von Geschlechterverhältnissen eine kulturelle und soziale Angelegenheit, die ebenso historisiert werden muss. Dabei gilt es v.a.  zu fragen: Wem nutzt(e) das Konstrukt der Zweigeschlechtlichkeit und der Zwangsheterosexualität? Welche konkreten materiellen Auswirkungen haben die Zuschreibungen auf die Individuen und Kollektive?

Dissertationsprojekte:

Gross, Julia: "Philadelphia's Jewish women and their abortions".

Schulte, Anton: "Seismograph der NS-Gesellschaft? Aushandlungen von Sexualität und Geschlecht im Spiegel der Patient:innendossiers der 'Universitäts-Nervenklinik Halle (Saale)' in den 1930er und 1940er Jahren"

FSP: Geschichte der Jugoslawienkriege

Die Kriege der 1990er Jahre auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien zeitigen bis heute nachhaltige Auswirkungen nicht nur auf die Entwicklung Südosteuropas, sondern auch auf die Gesellschaften Europas insgesamt. An der Professur für die Geschichte der Neuzeit untersuchen wir in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen aus dieser Region sowie aus Deutschland und Österreich Aspekte dieser Verflechtungen mit den Gesellschaften des „westlichen Balkan“.

* Die Biographiegeschichte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dieser Region umfasst einerseits die Migrations- und Mentalitätsgeschichte derjenigen, die als Kinder und Jugendliche („Children of the Balkan Wars“) die Balkankriege erleben mussten: Sie erfuhren die Gewalt dieser militärischen Auseinandersetzungen als hilflose Opfer. Diese Erfahrungen und die ökonomischen und sozialen Probleme der Gegenwart prägen die jungen Leute und ihre politischen Dispositionen bis heute. Mittlerweile herangewachsen, ist sie gerade in Begriff, in ihren Gesellschaften einflussreiche Positionen einzunehmen. Sie sind eine Schlüsselgeneration für die bevorstehende Integration ihrer Länder in die Europäische Union.

* Die Diplomatiegeschichte des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina: Vor über 25 Jahren beendete der Friedensvertrag von Dayton den Bürgerkrieg und schuf die Grundlage für einen multiethnischen Staat, der Bosniaken, Serben und Kroaten Perspektiven eine gemeinsame und friedliche Zukunft eröffnen sollte. Um den Wiederaufbau, die Aussöhnung und die friedliche, regionale Integration zu unterstützen, schuf die internationale Gemeinschaft das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina. In diesem Forschungsprojekt wird die Rolle des Hohen Repräsentanten als Schnittstelle zwischen Bosnien und Herzegowina und der Internationalen Gemeinschaft um die Jahrtausendwende untersucht. Als zentrales Steuerungsinstrument, Kommunikationsmedium, Mediationsinstanz und Interessenbroker war der Hohe Repräsentant essentiell an Aushandlungsprozessen von geopolitischen Einflusssphären auf dem Westbalkan und der fundamentalen Umwälzung und Neustrukturierung des internationalen Engagements in dieser Zeit beteiligt. Das Forschungsprojekt untersucht das Geflecht internationaler und regionaler Interessenspolitik am Beispiel des österreichischen Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch, der dieses Amt von 1999 bis 2002 innehatte.

The Youth in the Balkans and their Cultures of Communication, Non-Communication, and their Notions of Reconciliation (in cooperation with Franz Vranitzky Chair for European Studies   , University of Vienna)

What makes young people in Southeastern Europe unique? First and foremost, they form an extraordinary generation due to their common burdens - their shared experiences of war often accompanied by fight during their childhoods, and their shared experiences of growing up in political and economic instability in the artificially constructed region of the "Western Balkans" refers to former Yugoslavia without Croatia and Slovenia, adding Albania.

It is a matter of fact that generations form their very own (sub)cultures to communicate and constitute the essentials and the appearance of "their" generation, even if their cultures of communication separate young people on the basis of their inherited world views and systems of beliefs, probably as a result of the wars. However, we claim that there is a common baseline concerning their past, hence we refer to the young people of Southeastern Europe as members of the Balkan Youth.

Members of the Balkan Youth in our case are young adults between ages fifteen and thirty-five years and live in Albania, Bosnia-Herzegovina, Kosovo*, Montenegro, North-Macedonia and Serbia. According to previous research of the Franz Vranitzky Chair for European Studies, the Balkan Youth can be divided into two main generations: The "Children of the Balkan Wars" on the one hand, and the "Post-War Youth" on the other. The first group was born before or during the wars and shares experiences of war, violence, and/or flight. The latter generation was born in a period dictated by the burden of the aftermath of the wars. We argue that those two generations have experienced different childhoods, but have still built strong ties due to parent-and-child or older-and-younger-siblings' relationships, as well as similar every-day-life challenges such as education, (un)employment, financial (in)dependence. Employing oral history and life-story interviews, we research the historical, socio-economic, religious, and international contexts they live and lived in, as well as their attitudes towards the Yugoslav Wars of the 1990s and the European idea. We aim to point out  the cultures of communication, non-communication, as well as the notions of reconciliation of the members of the Balkan Youth, which are revealing their common and divided memory as well as their transferred, historical, and inherited narratives.

Dissertationsprojekt:

Göring, Ralph: "Der Hohe Repräsentant Wolfgang Petritsch: Schnittstelle der internationalen Gemeinschaft im Aushandlungsprozess zwischen EU und USA in Bosnien-Herzegowina"

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