'Generation In-Between': Geschichte, Psychologie und Politik der 'Kinder der Balkankriege'
Inhaltlich widmet sich unser durch das BMBF geförderter Forschungsverbund der langfristigen Beobachtung und Aufarbeitung sowie der Analyse und der Beratung von jungen Erwachsenen, die als Kinder die Zerfallskriege Jugoslawiens erleben mussten. Die Exzesse der Balkankriege in den 1990er-Jahren prägten die Kinder in Serbien und in Kosovo, in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina ebenso fundamental wie nachhaltig. Während ihrer frühen Sozialisation mussten sie die Gewalt des Krieges als hilflose Opfer erleben, was vielfach schwerwiegende Traumata zur Folge hatte und bis heute die Basis ihrer sozialen und politischen Dispositionen bildet. Im Laufe des kommenden Jahrzehnts stehen sie als Erwachsene vor der großen Herausforderung, sich für „Europa“ zu entscheiden: Mit dieser Problemstellung antworten wir als Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Länder und Disziplinen im Rahmen dieses an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angebundenen Projekts auf eine wesentliche gesellschaftliche und politische Herausforderung der Gegenwart, die sich als existentiell für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaften Südosteuropas und für die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft als Ganze erweist.
Die Vergangenheit als Last, die Gegenwart prekär und die Zukunft ungewiss – heute stellt sich die wesentliche Frage, ob das Aushalten all dieser Verluste und Verlorenheiten in Zukunft zu einem Aufbegehren und womöglich zu einem explosiven Ausbruch führen könnte: Wie werden die „Kinder der Balkankriege“ in Zukunft mit ihren Frustrationen und Aggressionen umgehen? Werden sie irgendwann den Umsturz wagen – mit Folgen nicht nur in ihren Gesellschaften, sondern für Europa in toto? – Wobei sich bereits jetzt ein massiver Ausbruch abzeichnet, denn den Gesellschaften Südosteuropas droht eine Emigrationswelle ungeahnten Ausmaßes – und es sind eben gerade die jungen Erwachsenen, die ihren Heimatländern den Rücken zukehren möchten, um ihr Glück und ihre Zukunft andernorts zu finden.
Im Rahmen unseres Konsortiums fühlen wir uns in besonderer Weise gefordert, die kritischen Potentiale und die europäischen Potenzen dieser fragilen Schlüsselgeneration des „westlichen Balkan“ fortlaufend auszuloten und auf der Basis innovativer interdisziplinärer Forschung und Bildung gangbare und nachhaltige Wege zu ihrer Integration in Europa zu erarbeiten und verantwortliche politische Institutionen als Expert*innen zu beraten.
Das Projekt verfolgt drei Kardinalziele:
- Den Aufbau und Ausbau eines internationalen und interdisziplinären Forschungskonsortiums unter Beteiligung von Kooperationspartner*innen von Universitäten in Deutschland, Österreich und Ländern Ex-Jugoslawiens
- Die systematische sowie kooperative Vorbereitung und Antragstellung von Forschungsprojekten im europäischen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon 2020, vor allem in den Themenbereichen „Integrative, innovative und reflektierende Gesellschaften“.
- Das Projekt fördert und forciert das Ziel des Lehrstuhles für Geschichte der Neuzeit, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehre und Forschung mit Nachdruck und nachhaltig zu internationalisieren und zu europäisieren.
Kooperationspartner*innen:
Prof. Dr. Everhard Holtmann, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.
Univ-Prof. Dr. Rainer Gries, Universität Wien, Franz Vranitzky Chair for European Studies am Institut für Zeitgeschichte und am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, 1090 Wien, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Benetka, Sigmund Freud Privat Universität Wien, Dekan der Fakultät für Psychologie, 1020 Wien, Österreich
Ass. Prof. Dr. Sanja Bojanic, University of Rijeka, Center for Advanced Studies - Southeast Europe (CAS SEE), 51000 Rijeka, Kroatien
Ass. Prof. Dr. Bekim Baliqi, University of Prishtina, Faculty of Philosophy/Department of Political Science, 10000 Pristina, Kosovo
Prof. Dr. Petar Bojanic, University of Belgrade, Institute for Philosophy and Social Theory, 11000 Belgrad, Serbien
Ass. Prof. Dr. Sead Turcalo, University of Sarajevo, Faculty of Political Science, 71000 Sarajevo, Bosnien-Herzegowina