Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Forschung

Geschichte der Geburtenplanung

Das Forschungsprojekt zur Kulturgeschichte der hormonellen Kontrazeption in der DDR verbindet pharmazeutische Entwicklungs- und menschliche Erfahrungs­geschichte miteinander. Die Pille wird als ein Produkt in den Blick genommen, an dessen Entwicklung, Implementierung, Propagierung und Aneignung eine Vielzahl politischer und gesellschaftlicher Akteure beteiligt waren. Neben der Partei- und Staatsführung der DDR setzte sich maßgeblich eine „mittlere“ Ebene, ein intermediäres Netzwerk von Expert*innen und Fachleuten aus Medizin, Pharmazie, Wissenschaft und Politik, für eine moderne Familienpolitik und für die Entwicklung moderner Verhütungsmittel ein. Im Vergleich zur „alten“ Bundes­republik, wo Frauen sich gegen konservative Widerstände von Behörden, Ärzt*innen und Kirchen den Zugang zu den hormonellen Verhütungsmitteln geradezu erkämpfen mussten, war die „Wunschkindpille“ im Staatssozialismus das von Regierung und Fachleuten vorgegebene Mittel der Familienplanung. Die Analyse lebensgeschichtlicher Narrative zeigt allerdings, dass die Kultur- und Gesellschafts­geschichte der Pille äußerst kompliziert und komplex verlief. Die Vergesellschaftung des Präparats, das zweifellos tiefgreifende Auswirkungen auf Partnerschaft, Ehe, Familie, Liebe und Sexualität hatte, entpuppte sich erstaunlicherweise auch in der Diktatur als ein von wechselnden Machtverhältnissen bestimmter Aushandlungspro­zess zwischen den Staats- und Parteioberen, den Spezialisten und den Nutzerinnen der Pille und ihrer Partner. Jenseits der Differenzierungen nach Alter oder sozial-moralischen Milieus förderte unsere Untersuchung über die zu erwartenden Formen der Annahme dieses Verhütungsmittels auch verschiedene eigensinnige Formen des Umgangs zutage

Forschungsschwerpunkt: Kriegs- und Besatzungskinder

Der Lehrstuhl für die Geschichte der Neuzeit erforscht unter Einnahme kulturhistorischer und historisch-anthropologischer Perspektiven die Erfahrungen von Kriegskindern für den Zeitraum des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Auf dieser Basis wurden übergreifende Projekte in Forschung und Lehre profiliert, u.a.:

Internationales und Interdisziplinäres Forschungsnetzwerk:'Generation In-Between: Geschichte, Psychologie und Politik der 'Kinder der Balkankriege'

Inhaltlich widmet sich unser durch das BMBF geförderter Forschungsverbund der langfristigen Beobachtung und Aufarbeitung sowie der Analyse und der Beratung von jungen Erwachsenen, die als Kinder die Zerfallskriege Jugoslawiens erleben mussten. Die Exzesse der Balkankriege in den 1990er-Jahren prägten die Kinder in Serbien und in Kosovo, in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina ebenso fundamental wie nachhaltig. Während ihrer frühen Sozialisation mussten sie die Gewalt des Krieges als hilflose Opfer erleben, was vielfach schwerwiegende Traumata zur Folge hatte und bis heute die Basis ihrer sozialen und politischen Dispositionen bildet. Im Laufe des kommenden Jahrzehnts stehen sie als Erwachsene vor der großen Herausforderung, sich für „Europa“ zu entscheiden: Mit dieser Problemstellung antworten wir als Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Länder und Disziplinen im Rahmen dieses an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angebundenen Projekts auf eine wesentliche gesellschaftliche und politische Herausforderung der Gegenwart, die sich als existentiell für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaften Südosteuropas und für die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft als Ganze erweist.

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"Bankerte!": Besatzungskinder in Deutschland nach 1945

Forschungsprojekt unter Leitung von Prof. Lutz Niethammer, Prof. Dr. Silke Satjukow und Prof. Dr. Rainer Gries in Kooperation der Universitäten Magdeburg und Wien

Publikation: Satjukow, Silke & Gries, Rainer: “Bankerte!“: Besatzungskinder in Deutschland nach 1945, Frankfurt am Main 2015.

Im Frühjahr 1945 marschierten die alliierten Truppen in Deutschland ein, neun Monate später kamen die ersten Besatzungskinder zur Welt. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt wurden etwa 400.000 Kinder geboren, deren Väter feindliche Soldaten und deren Mütter zumeist junge Deutsche waren. Nur in den seltensten Fällen erkannten die Männer ihre Vaterschaft und ihre Verantwortung amtlich an. Zeit ihres Lebens trugen diese Kinder daher ein doppeltes Stigma: Sie waren von unehelicher Geburt und Kinder einer Vergewaltigung oder gar einer Beziehung mit dem verhassten Feind. Ihr soziales Umfeld grenzte sie aus, verhöhnte und misshandelte sie psychisch und physisch – sie galten als "Bastarde", "Russenbälger", "Amikinder" oder gar als "Negerbrut". Während Briten, Amerikaner und Russen weder an den Müttern noch an ihrem Nachwuchs Interesse zeigten, organisierten die Franzosen geheime Babytransporte nach Paris und nach Nordafrika. Dort bekamen die Kinder neue Identitäten und wurden zur Adoption freigegeben – das Schicksal dieser "Franzosenkinder" blieb bis heute im Dunkeln.

ABR@HAMS: Analysing Beliefs Religion And Hallowing Attributions in Modern Society Projektverbund

Kooperationspartner:

  • Prof. Dr. Andreas Nürnberger, Leiter der Arbeitsgruppe Data & Knowledge Engineering, Fakultät für Informatik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • Prof. Dr. Bertram Schmitz, Lehrstuhlinhaber für Religionswissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität Jena /
  • Univ.-Prof. Dr. Rainer Gries, Franz Vranitzky Chair for European Studies, Institut für Zeitgeschichte & Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien

Debatten um Religionen und um das Religiöse werden in Deutschland gegenwärtig so kontrovers wie nie zuvor geführt – und dies gilt nicht nur in Bezug auf den Islam, sondern auch auf das Christentum und das Judentum. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die geltenden Rahmungen des Religiösen, die hauptsächlich auf gewachsenen Beziehungen von christlichen Kirchen und säkularem Staat basieren, den stark divergierenden Bedürfnissen der anderen Glaubensgemeinschaften in einer multireligiösen Gesellschaft gerecht werden.

„Religiosität 2.0“: Das Forschungsprojekt verfolgt das Ziel, die religiösen Diskurse bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen der drei abrahamitischen Religionen zu untersuchen. Es soll bei jungen Christ*innen, Muslimen und Muslimas und Jüd*innen erforscht werden, welche Bestandteile ihrer Religion (noch) zentrale Aspekte ihres Lebens darstellen: Was genau zählt für diese jungen Leute zu den Kerngehalten ihrer Religiosität? Was ist ihnen in ihrer Lebenswelt „heilig“?

Dieses „Heilige“ wird in der Mediengesellschaft in spannungsgeladenen und höchst dynamischen individuellen und kollektiven Prozessen authentisch ausgehandelt – und zwar in den Sozialen Medien des Internets. Hier verschmelzen tradierte Narrative mit den Motiven unserer digitalen Moderne. Brisante religiöse, kulturelle, soziale und politische Gemengelagen, die uns als Geschichts-, Religions- und Kommunikationswissenschaftler theoretisch und methodisch am Beginn des 21. Jahrhunderts auf besondere Weise herausfordern.

Die Päpste im „Vorhof der Völker“: Die Kultur- und Kommunikationsgeschichte der Päpste im 20. und 21. Jahrhundert

Kooperationspartner: Univ.-Prof. Dr. Rainer Gries, Franz Vranitzky Chair for European Studies, Institut für Zeitgeschichte & Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien

Im Zuge der Entfaltung moderner Massen- und Mediengesellschaften, während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, avancierten Päpste selbst zu einzigartigen Medien im sozialpsychologischen und im kommunikationstheoretischen Sinne: In ihren Botschaften, vor allem aber in ihren Gesichtern, in ihren Gesten und ihrem Gestus, in ihrem Habit und ihrem Habitus spiegelten und spiegeln sich Ängste und Hoffnungen, Erwartungen und Erfahrungen ganzer Gesellschaften, sozialer Gruppen und Generationen.

Diese Entwicklung birgt ungeahnte und entgrenzte Chancen, aber auch Unwägbarkeiten für die Vermittlung päpstlicher Botschaften und deren Rezeption – gerade bei nicht-katholischen Christ*innen und bei Nichtchrist*innen. Um die Überkomplexität unserer modernen Massengesellschaft zu reduzieren, suchen Gläubige ebenso wie dem Glauben Fernstehende bisweilen das Antlitz und die Ansprache des Papstes als jene einer globalen Vaterfigur oder humanistischen Petitionsinstanz.

Vor diesem Hintergrund erforschen Geschichts-, Kommunikations- und Religionswissenschaftler die außerordentlichen kommunikativen Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen des Papsttums unter den Auspizien der modernen Medien­gesellschaft in Westeuropa.

siehe auch: aktuelle Forschungsprojekte

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