Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Forschung

Das Imperium und seine Zutaten
Essen, Ethnizität und Herrschaft im späten Zarenreich

Der Schaschlik gilt im Westen Europas als ein typisch russisches Gericht. Unter diesem turksprachigen Namen hat sich der gegrillte Fleischspieß, der in Georgien Mzwadi heißt, als ein fester Bestandteil der russisch-imperialen Küche etabliert. In den letzten Jahrzehnten des Zarenreichs waren kaukasische Restaurants und Weinstuben nicht mehr aus den Großstädten wegzudenken. Kochbücher enthielten um die Wende zum 20. Jahrhundert ganz selbstverständlich Anleitungen zur Zubereitung von Gerichten, die auf Armenien, Georgien und den persisch geprägten südöstlichen Kaukasus verwiesen.

Anhand von kaukasischen Küchen untersucht das Projekt die Diffusion kultureller Praktiken im imperialen Raum. Auf welchen Wegen wurden einzelne Lebensmittel und Gerichte aus den verschiedenen Regionen Kaukasiens in den kulinarischen Wissensbestand des Imperiums aufgenommen? Inwieweit ging ihre Integration mit einer Exotisierung einher? Welche Bilder vom Kaukasus wurden durch die Darstellung seiner kulinarischen Praktiken produziert? Wie gingen imperiale Akteure mit neuartigen kulinarischen Codes um?

Durch den kulturhistorischen Blick auf das Essen soll das Projekt einen Beitrag zu der Frage leisten, was das zarische Imperium jenseits von staatlichen Herrschaftsstrukturen zusammenhielt. Wie veränderte die imperiale Expansion die Alltagspraktiken der Untertanen? Welche Vorstellungen von den einzelnen Bestandteilen des Imperiums existierten in seinen Regionen?

Vom Luxusgut zum Nationalgetränk: Eine Kulturgeschichte des Tees im Russischen Reich

Neben dem Wodka nimmt der Tee eine herausragende Position in Russlands Alltagskultur ein. Er ist ein wichtiger Bestandteil der nationalen Küche und ein zentrales strukturierendes Element im Tagesablauf aller gesellschaftlichen Schichten. Doch während der Tee in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Massenprodukt wird, ist er zu Beginn des Jahrhunderts noch ein teures Luxusgut, das jenseits der Eliten weitgehend unbekannt ist.

So selbstverständlich ein dampfender Samowar und ein Teeservice in einem beliebigen Haushalt erscheinen, so wenig ist die Verbreitung des Tees im Russischen Reich erforscht. Das Projekt möchte der Geschichte des Tees in Russland seit dem 17. Jahrhundert bis zum Untergang des Zarenreiches nachgehen. Welche Mechanismen ermöglichten die Transformation einer seltenen und teuren Importware zum Massenprodukt? Welche kulturellen Muster begünstigen die Aufnahme des Tees auf den Speiseplan unterschiedlicher sozialer Gruppen? Welche sozialen und kulturellen Funktionen erfüllte das Getränk in den verschiedenen Situationen seines Konsums? Welche Rolle spielte der Tee bei offiziellen Anlässen, bei denen sich die imperiale Staatsmacht und Vertreter unterschiedlicher Ethnien und Konfessionen begegneten? Welche Topoi halfen schließlich dem Tee, im Bewusstsein der Bevölkerung des Zarenreichs und im Ausland den Status eines russischen Nationalgetränks einzunehmen?

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