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Verwaltete Geschichte (Historische Argumentation in Verwaltungsschriftgut)

Verwaltete Geschichte. Geschichtsbewußtsein, Geschichtsbilder und Geschichtskonstruktion in den Archiven des spätmittelalterlichen französischen Königtums

Antragsteller: Prof. Dr. Georg Jostkleigrewe
Bearbeiterin: Dr. Claudia Wittig

Ziel des Projekts ist es, den Einfluß von Geschichtsbewußtsein und historischer Erinnerung auf politisches Handeln in den spätmittelalterlichen Krisen- und Konsolidierungsphasen der französischen Monarchie zu erforschen. Dabei stehen die historiographischen, publizistischen und ikonographischen Zeugnisse, die üblicherweise als Ausdruck wie auch als Mittel zur Propagierung einschlägiger Geschichtsbilder analysiert werden, gerade nicht im Mittelpunkt der Betrachtung. Vielmehr richtet sich der Blick auf das Schriftgut der Regierungs- und Verwaltungsinstanzen, die gewissermaßen als kommunikative Schnittstelle zwischen Königtum und Untertanen fungieren: Welche konkreten Elemente historischer Erinnerung lassen sich dort fassen – und welche Bedeutung besitzen sie für die administrative Interaktion von Herrschern und Beherrschten? Um diese Fragen zu beantworten, werden ausgewählte Archivbestände auf konkrete Zeugnisse historischen Denkens und Argumentierens durchgesehen. Wir suchen in diesem Material nach knappen historischen Exkursen, Rückbezügen auf historische Gründungsgestalten oder Vergleichen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die sich beispielsweise in Memoranden, Suppliken oder den Akten lokaler ‚Enquêtes‘ finden. Die systematische Erfassung dieses kaum beachteten Quellenmaterials stellt wichtige historische Grundlagenarbeit dar.

Dieser erste Untersuchungsschritt eröffnet einen neuen Zugriff auf Elemente des spätmittelalterlichen französischen Geschichtsbewußtseins und dessen politische Relevanz, da er nicht allein die von der monarchischen Zentralgewalt propagierten Konzeptionen analysiert, sondern vielmehr auf die Interaktion mit den Untergebenen fokussiert: Aus einer bottom-up-Perspektive untersuchen wir gerade auch, welche Elemente historischer Erinnerung die Untertanen aufgreifen, um ihren eigenen Zielen gegenüber dem Königtum und dessen Vertretern Ausdruck zu verleihen. Darauf aufbauend soll das spannungsgeladene Verhältnis von monarchischen Geschichtskonzeptionen und deren archivalisch überliefertem Widerhall bei verschiedenen Akteuren und Bevölkerungsgruppen vertiefend untersucht werden. Dazu richtet sich der Blick auf die Überlieferung einer konkreten Regierungs- und Verwaltungsinstanz: der Chambre des comptes, eines der wichtigste Regierungsorgane des Königtums. In den Memorialbüchern dieser Institution fassen wir in verdichteter Form die Interaktion zwischen monarchischer Zentrale und Untertanen. Wir können hier in nuce analysieren, wie im Spannungsfeld zwischen königlichen Ansprüchen und den Erwartungen einer entstehenden Öffentlichkeit in der alltäglichen Regierungspraxis mit Versatzstücken historischer Erinnerung operiert wurde und wie sich dabei – vielleicht – eine monarchische Geschichtspolitik herausbildete.

History in administrative contexts. Historical consciousness and historiographical constructions in the archival holdings of the late medieval French monarchy

The aim of the project is to investigate the influence of historical consciousness and historical memory on political action in the phases of crisis and consolidation of the French monarchy in the late Middle Ages. The project does not focus on the historiographical, publicist, and iconographic testimonies, which are usually analysed as means of propagating relevant historical images. Rather, the focus is on the written material of governmental and administrative bodies, which to a certain extent function as a communicative interface between kingship and subjects: What concrete elements of historical memory can be grasped there - and which significance do they have for the administrative interaction of rulers and ruled? In order to answer these questions, selected archive holdings will be examined for concrete evidence of historical thought and argumentation. We are looking for concise historical excursus, references to historical founding figures, or comparisons between the present and the past that can be found, for example, in memoranda, petitions, or the files of local 'enquêtes'. The systematic collection of this scarcely considered source material represents important basic historical work.

As a result, this research step opens up new access to elements of late medieval French historical consciousness and its political relevance, since it does not only analyse the concepts propagated by the monarchical power, but rather focuses on the interaction with the subordinates: From a bottom-up perspective, we examine which elements of historical memory the subjects take up in order to express their own goals vis-à-vis the royalty and its representatives. Building on this, we will examine in depth the complex relationship between monarchical conceptions of history and their archival echoes among various actors and population groups. To this end, the focus will be on the tradition of a specific governmental and administrative institution: the Chambre des comptes, one of the most important governing bodies of the kingdom. In the memorial books of this institution, we can survey in condensed form the interaction between the monarchy and its subjects. Here we can analyse in nuce how, in the interface between royal claims and the expectations of an emerging public sphere, the everyday practice of government was operated with set pieces of historical memory and how - perhaps - a monarchical politics of history developed in the process.

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