Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Forschung

Das Reservat der Ordinarien. Die Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwischen 1920 und 1970

Die 1920 unter dem Namen „Notgemeinschaft der deutschen Forschung“ gegründete DFG agiert seitdem als eine der wichtigsten Forschung fördernden Institutionen in Deutschland. Das von mir betriebene Projekt ist Teil eines größeren Projektverbundes, in dessen Rahmen derzeit die Geschichte der DFG mit insgesamt 20 Einzelprojekten erforscht wird. An diesem Verbund sind Wissenschaftler mehrerer Disziplinen an den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Dresden, Siegen, Braunschweig, an der Humboldt- und der Technischen Universität Berlin sowie am Deutschen Museum München beteiligt. Während die übrigen Projekte Teilaspekte einer Institutionengeschichte der DFG oder die Geschichte einzelner Disziplinen oder Forschungsfelder aus der Perspektive ihrer Förderung und Formung seitens der DFG untersuchen, schreibe ich eine Gesamtdarstellung der DFG-Geschichte bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Im Mittelpunkt steht die DFG als sozialer Raum, den sich die deutschen Hochschulordinarien um 1920 als Rückzugsraum gegenüber dem gesellschaftlichen Wandels schufen, der ihnen aber auch als Instrument zur Wahrung ihrer Interessen angesichts einer immer stärkeren Abhängigkeit der Wissenschaft von anderen gesellschaftlichen Teilsystemen diente. Dieser soziale Raum DFG wurde in der Folge zum Schauplatz innerwissenschaftlicher Kontroversen um die Regeln und Relevanzkriterien seriöser Forschung, um die innerhalb der Wissenschaft gültigen Leitbilder und Habitusideale, um die Positionierung von Wissenschaft gegenüber wechselnden politischen Systemen, um Generations-, Paradigmen- und Pfadwechsel in einzelnen Disziplinen. In der Begutachtung als der zentralen sozialen Praxis einer so verstandenen DFG fanden Auseinandersetzungen um das Selbstverständnis von Wissenschaft, die Hegemonieansprüche verschiedener Leitbilder „des“ Wissenschaftlers und schließlich um die Zugehörigkeit des einzelnen zur Gruppe als seriös anerkannter Forscher statt. Diese Konflikte gewannen aufgrund der schwindenden Homogenität der DFG-Klientel ab Ende der 50er Jahre an Schärfe, über Jahrzehnte hegemoniale Leitbilder und Verhaltensnormen verloren ihre Verbindlichkeit, und damit veränderten sich auch das Profil und die Grenzziehungen des sozialen Raumes DFG.
Nähere Informationen zum Gesamtprojekt unter: http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/DFG-Geschichte/   


Forschungsprojekt zur Geschichte des Bundeskriminalamtes zwischen 1949 und 1981

Projektleiter: Prof. Dr. Patrick Wagner

Wissenschaftliche Mitarbeiter: Dr. Imanuel Baumann, Andrej Stephan M.A.

Rahmen und Organisation

Auf Initiative und im Auftrag des Bundeskriminalamtes (BKA) untersuchen die am Projekt Beteiligten die Geschichte dieser Behörde. Der Untersuchungszeitraum beginnt mit der Gründungsphase des 1951 errichteten Amtes und reicht bis zum Anfang der 80er Jahre, als der unter dem Vorzeichen der Terrorismusbekämpfung stehende Aus- und Umbau des BKA zu einem Abschluss gelangte. Die Recherchen werden durch das Bundeskriminalamt finanziert, haben im November 2008 begonnen und werden Ende 2010 in eine Konferenz und einen Schlussbericht münden. Das Bundeskriminalamt ermöglicht den Projektmitarbeitern den freien Zugang zu seinen Aktenbeständen; spätestens mit dem Ende des Projektes wird das BKA seine älteren Akten an das Bundesarchiv abgeben. Damit werden die Projektergebnisse für alle interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüfbar sein. Die Projektgruppe arbeitet mit einem wissenschaftlichen Beirat zusammen, dem Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), Herr Dr. Wolfgang Schulte (Deutsche Hochschule der Polizei, Münster) und Frau Sonja Kock M.A. (BKA) angehören. Zudem wird die Gruppe durch die Polizeihistoriker Prof. Dr. Klaus Weinhauer (Bielefeld/Lüneburg) und Prof. Dr. Herbert Reinke (Berlin) beraten.

Konzept

Das Ausmaß personeller Kontinuität zwischen dem Sicherheitsapparat des Nationalsozialismus und den Sicherheitsbehörden der frühen Bundesrepublik, darunter dem Bundeskriminalamt ist evident. Im Jahr 1958 befanden sich unter 47 Führungsbeamten des BKA 33 ehemalige SS-Führer. Was aber bedeutete diese personelle Kontinuität für die Praxis des Bundeskriminalamtes und für die dieser Praxis zugrunde liegenden Konzeptionen? Welchen Einfluss hatten die Erfahrungen, die BKA-Beamte während des Nationalsozialismus gemacht hatten, auf das Agieren ihrer Behörde vom Anfang der fünfziger bis zum Ende der siebziger Jahre (d.h. jenem Zeitpunkt, an dem die letzten ns-geprägten Beamten in den Ruhestand traten)? Inwiefern tradierten die im Nationalsozialismus geprägten Beamten damals erworbene Dispositionen an die folgenden Generationen im Amt? Und schließlich: Wie konnte aus einer Behörde, deren Gründungspersonal teilweise rechtsstaatlichen und humanen Werten sehr fern gestanden hatte, eine im Vergleich mit anderen westlichen Staaten „normale“ Polizeiinstitution werden?

Die Leitfragen des Projektes werden auf drei Ebenen untersucht. Erstens gilt es, die Entwicklung des BKA-Personals zu untersuchen. Im Mittelpunkt des Interesses steht zum einen das Profil der Amtsleitung, zum anderen das Profil jener Beamten, die vermutlich den Behördenalltag und vor allem die berufspraktische Sozialisation des Nachwuchses nachhaltig prägten – der Beamten auf mittlerer Führungsebene. Zweitens ist das BKA als Institution zu untersuchen. Nur so lässt sich erklären, wie und warum sich Prägungen vieler Beamter durch den Nationalsozialismus innerhalb des Amtes in spezifischer Form auswirkten (oder auch: nicht auswirkten). Vor allem aber ist in den Blick zu nehmen, dass der Status des BKA als nationalstaatliche Polizeibehörde vor dem Hintergrund der NS-Vergangenheit von Beginn an ein besonderer war: Stärker als entsprechende Behörden in anderen westlichen Staaten musste sich das BKA mit öffentlicher Skepsis und mit Begrenzungen seiner Kompetenzen arrangieren, die sich einem durch die Erfahrungen mit dem NS-Staat hervorgerufenen Grundmisstrauen gegenüber einer starken nationalstaatlichen polizeilichen Exekutive verdankten. Ab den frühen siebziger Jahren scheint es dem Amt gelungen zu sein, Misstrauen zu vermindern und seine Kompetenzen zu erweitern. Diesen Prozess gilt es zu untersuchen, denn auch er ist eine (indirekte) Folge der NS-Zeit. Zu untersuchen sind z.B. die Entwicklung der Rolle des BKA im bundesdeutschen Gesamtensemble des Politikfeldes „Innere Sicherheit“, die Politik der Amtsleitung nach außen und das Verhältnis des BKA zur Öffentlichkeit.

Drittens muss die konkrete Arbeit des BKA unter der Perspektive analysiert werden, inwiefern sich hier NS-Traditionslinien identifizieren lassen bzw. wie und durch was diese im Lauf der Zeit ersetzt wurden. Im Mittelpunkt stehen drei Praxisfelder: So ist die Tätigkeit des BKA im polizeilichen Staatsschutz in ihrer Entwicklung zu rekonstruieren. Daneben wird – vor dem Hintergrund der Vorgeschichte im Nationalsozialismus (z.B. „Zigeunerbekämpfung“ und Repression gegen Zwangsarbeiter) – der Umgang des BKA mit spezifischen sozialen Gruppen untersucht. Und schließlich müssen die im BKA entwickelten Konzepte der Kriminalitätsbekämpfung in Bezug gesetzt werden zu den Konzepten der NS-Zeit einerseits und zur Entwicklung der akademischen Kriminologie in der Bundesrepublik andererseits.

Inzwischen hat das Forscherteam die Ergebnisse seiner Untersuchungen vorgelegt und am 06. April 2011 in Wiesbaden öffentlich diskutiert. Das Bundeskriminalamt hat die Beiträge von Prof. Dr. Patrick Wagner und Andrej Stephan online publiziert, diese sind unter den folgenden Links einzusehen:

http://bka.de/pressemitteilungen/2011/pm110406_kolloquium_vortrag_wagner.pdf   

http://bka.de/pressemitteilungen/2011/pm110406_kolloquium_vortrag_stephan.pdf   

Zum Jahresende wird der Bericht der Hallenser Historiker als Buch in der Forschungsreihe des Bundeskriminalamtes publiziert und am 06. Dezember 2011 in Wiesbaden der Öffentlichkeit präsentiert.


Dissertationsprojekte (laufende)

Jürgen Harder: Zwangs- und Fürsorgeerziehung weiblicher und männlicher Jugendlicher, 1900-1932. Theorie und Praxis in zwei Anstalten der Provinz Hannover.

Im deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik entwickelten staatliche Behörden, bürgerliche Sozialreformer und kirchliche wie öffentliche Wohlfahrtsverbände das Instrumentarium der modernen Jugendfürsorge. Seit dem späten 19. Jahrhundert galt den bürgerlichen Obrigkeiten die in der Industrie und städtischen Haushalten beschäftigte „Unterschichtenjugend“ mit ihren „Verhaltensauffälligkeiten“ und „Verwahrlosungserscheinungen“ als neues gesellschaftspolitisches Problem. Ein zentrales Instrument der sich entwickelnden Jugendfürsorge wurden die vornehmlich kirchlich geleiteten Einrichtungen der Zwangs- und Fürsorgeerziehung. Deren Ziel war sowohl die gesellschaftliche Reintegration sozial „auffälliger“ Minderjähriger als auch die Verhaltens- und Sozialdisziplinierung der Zöglinge und ihrer Familien. Die Jugendfürsorge orientierte sich hierbei an „bürgerlichen“ und christlich-protestantischen Lebensmaximen. Im Mittelpunkt stand eine arbeitsame, disziplinierte und affektkontrollierte Lebensführung sowie das Ideal intakter Familienstrukturen.

Die obrigkeitliche Aufmerksamkeit gegenüber jugendlichen „Verwahrlosungserscheinungen“ führte seit der Jahrhundertwende zu einem massiven Ausbau des Systems der Zwangs- und Fürsorgeerziehung. Steigende Einweisungszahlen und staatlich abgesicherte Pflegegelder bewirkten eine zunehmende Ökonomisierung der Anstaltserziehung. In der Endphase der Weimarer Republik führten finanzielle und pädagogische Probleme wie auch fachinterne und öffentliche Kritik auch in der modernen Jugendfürsorge zu einer allmählichen Durchsetzung sozialdarwinistischer Vorstellungen. Für die Fürsorgeerziehung bedeutete dies eine weitgehende Entpädagogisierung und letztlich die gesellschaftliche und institutionelle Ausgrenzung der vermeintlich „Schwer-“ und „Unerziehbaren“.

Das Forschungsvorhaben betrachtet exemplarisch anhand zweier Erziehungsanstalten der preußischen Provinz Hannover die Theorie und soziale Praxis der christlich geprägten Zwangs- und Fürsorgeerziehung weiblicher und männlicher Jugendlicher zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Aus mikrohistorischer Sicht untersucht die Arbeit am Beispiel der evangelischen Diakonieeinrichtungen Frauenheim Himmelsthür bei Hildesheim und dem Stephansstift in Hannover die Zusammenhänge zwischen zeitgenössischen Diskursen über die „Verwahrlosung“ der Jugend, die sich wandelnden Konzepte und Ansätze zu ihrer Bekämpfung und deren Wechselwirkungen mit der alltäglichen Erziehungspraxis in den Anstalten. Zugleich fragt die Arbeit nach den Auswirkungen der sich wandelnden politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Erziehungsanstalten. Das Dissertationsprojekt vergleicht die institutionelle Erziehung und Disziplinierung weiblicher und männlicher Jugendlicher in den Anstalten Himmelsthür und Stephansstift und vereint hierbei sozial-, alltags- und geschlechtergeschichtliche Fragestellungen.

Kontakt: juergen-harder.gmx.de


Magisterarbeiten

2009

  • Sylvia Günteroth: Neuanfang in der Fremde. Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Blankenburg/Harz nach 1945.
  • Sven Hoffmann: Der Genozid an den Herero und Nama (1904–1908). Die politische Auseinandersetzung im geteilten und wiedervereinigten Deutschland mit der eigenen Kolonialvergangenheit.
  • Robert Kieschnik: Die Debatte um die Rudi-Dutschke-Straße.
  • Sebastian Krziwanie: „Deutsche, seid zu stolz, Euch mit Polen einzulassen!“ Polnische Zwangsarbeiter vor dem Sondergericht Halle zwischen 1940 und 1945.
  • Stefan Peters: „One man’s terrorist is another man’s freedom fighter“ – die Verarbeitung der terroristischen Anschläge auf Matthias Erzberger und Walther Rathenau in der zeitgenössischen deutschen Presse.
  • Andreas Pietsch: Zensur im deutschen Kaiserreich. Reflexion indizierter Druckschriften im Börsenblatt und der Börsenverein der deutschen Buchhändler (1871–1914).
  • Paul Ständike: Der Politiker Ernst Reuter und die 1. Berlin-Krise.
  • Doreen Weber: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Die Staatsjugendorganisationen des Dritten Reiches und der DDR im Vergleich.

2008

  • Florian Hannig: Der Eindringling. Die Konstituierung von Arbeitslosigkeit als politischem Feld vor dem Ersten Weltkrieg in Großbritannien.
  • Marco Jänicke: Vom Mauerbau bis zu den X. Weltfestspielen – Jugendpolitik im SED-Staat am Beispiel der VEB Chemischen Werke „Walter Ulbricht“ Leuna.
  • Torsten Naumann: Die 68er im Spiegel der Ideologien des 20. Jahrhunderts.
  • Christian Schletter: Volkszählung und Volkszählungsboykott in der Bundesrepublik Deutschland 1983.
  • Sven Schöbel: Die innenpolitische Auseinandersetzung in der BRD zum Versammlungsrecht in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Eine ausführliche Analyse der Diskussion zur Änderung des § 125 Strafgesetzbuch und des § 17 Versammlungsgesetz im Zeitraum von 1983 bis 1985.
  • Meik Steinberg: NS-Gewaltverbrechen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges.
  • Carina Steinhäuser: Roma und Sinti während des Nationalsozialismus in Halle.
  • Andrej Stephan: „In der germanischen Kultur verwirklicht sich die nordische Rasse.“ Wissenschaftliche Germanenforschung im Nationalsozialismus.
  • Juliane Tauchnitz: Nachrichtensperre? Medien und Staat im „Deutschen Herbst“ 1977.
  • Dajana Zeidler: Das Motiv der „jüdischen Weltverschwörung“ in der nationalsozialistischen Publizistik.

2007

  • Christ Henze: Richter und Staatsanwälte im Dienst des Dritten Reiches: Die Praxis der Strafjustiz am Sondergericht Halle.
  • Anna Pfitzenmaier: Wir Königskinder. Gesellschaftliche Selbstwahrnehmungen um 1960 im Vergleich: Zum Umgang mit dem NS-Erbe in den Spielfilmen Wir Wunderkinder (BRD) und Königskinder (DDR).
  • Henning Diedler: Wandlungen des Verhältnisses von Bürger und Staat im Spiegel bundesdeutscher Geheimdienstskandale
  • Regina Möhrle: Hiroshima im Comic. Ein autobiographischer Manga als historische Quelle.
  • Stefan Fischer: Die hallische Atomphysik in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.
  • Sebastian Steinle: Der österreichische Staatsvertrag 1955 und die deutschen Debatten.
  • Robert Beutler: Die Nation of Islam. Bildungspolitik und soziale Programme im Rahmen religiös-nationalistischer Konzeption

2006

  • Nils Naber: Hermann Lautensach (1886 – 1971). Die intellektuelle Biographie eines deutschen Geographen.
  • Johannes Baral: Leben und Überwachen im Grenzgebiet: Grenzbevölkerung und Deutsche Grenzpolizei vor dem Mauerbau.
  • Jennifer Lutz: Sexualpädagogische Literatur als Spiegel kulturellen Wandels in der Bundesrepublik der fünfziger bis frühen siebziger Jahre: Die gesellschaftliche Organisation von Lust und Moral zwischen tradierten Wertvorstellungen und „sexueller Befreiung“.
  • Silja von Bornstaedt: Amerikanische Kulturpolitik in Westdeutschland. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Spiegel der Amerikahäuser (1945 – 1968).

2005

  • Katharina Karst: „Der Christ in der Not der Zeit“. Der 72. Deutsche Katholikentag in Mainz 1948.
  • Verena Scheuble: Die „formative Gründungsperiode“ des Deutschen Kaiserreichs 1866 – 1878: Felder gesellschaftlichen Wandels, ihre zeitgenössische Wahrnehmung und historiographische Deutung.
  • Michael Bart: Ludwig II. von Bayern: Regionale Kultfigur und Popikone. Deutungen und Stilisierungen eines Monarchen, 1864 – 2000.

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