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Dissertation Mikolajczyk

Steffen Mikolajczyk, Distanz als sozialpsychologische Beziehungskategorie. Begegnungen zwischen "Führer" und Volk.

Projektbeschreibung

Der Nationalsozialismus verbreitete nicht nur ideologisch-politische und ökonomisch-soziale Versprechen, sondern stellte ebenso eine gleichsam emotionale Ordnung zur Verfügung. Emotionen bezogen sich auf die Rolle Hitlers als "Führer" wie auf die Erzeugung von Gemeinschaftserlebnissen, die im Entwurf einer "Volksgemeinschaft" ihren konstitutiven aber auch konstruierten, das heißt nicht unmittelbar erlebbaren, Gipfelpunkt fanden.
Spätestens 1933 trat in Deutschland mit Hitler eine Symbolfigur auf, mit welcher Begriffe wie Volk oder "Volksgemeinschaft" personalisiert und erlebbar wurden. Für NS-Organisationen, wie für die "Volksgemeinschaft" stellte der "Führer" den wichtigsten Bezugspunkt dar, um "Gemeinschaft" sein zu können. Anders ausgedrückt: Erst durch die Person Adolf Hitler ließen sich Gemeinschaftserlebnisse auch auf den größeren Zusammenhang einer "Volksgemeinschaft" projizieren. Er diente damit als Projektor und Projektionsfläche (Identifizierung) subjektiver Wahrnehmungen/ Erlebnisse und Erwartungen.
Das Dissertationsprojekt thematisiert Aspekte der grundlegenden Frage nach den konsensualen Herrschaftselementen und Vergemeinschaftungsprozessen im Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt stehen die Interaktionen, die "Begegnungen" zwischen Hitler und "seinem" Volk. Der Plural "Begegnungen" zeigt an, dass es dabei nicht nur um einzelne große Massenveranstaltungen geht, sondern um alle Begegnungsmöglichkeiten, derer es sehr viel mehr gab als bislang beschrieben. Dafür werden anhand von Zeitungen und Archivalien in mehreren Stichjahren Begegnungen analysiert. Diese gewissermaßen "reale" Begegnungsdimension wird durch drei weitere ergänzt: die "mediale" Dimension (v. a. Fotografien), die "mündliche" Dimension (Reden, Grüße, Sprechchöre etc.) und die "imaginierte" Dimension (Briefe an den Führer). Ziel dieser mehrdimensionalen Konstruktion ist es, der "erlebten" gesellschaftlichen Wirklichkeit der Beziehung "Führer-Volk" näherzukommen.
Max Webers Idealtypus "charismatischer Herrschaft" bildet für die Analyse den methodischen Ausgangspunkt. Das in Webers Konzeption zentrale und zugleich konstituierende funktionale Element der "Zuschreibung" von Eigenschaften auf die charismatische Führergestalt, die auf die Wechselseitigkeit in der Herrschaftsbeziehung hinweist, soll durch diese Arbeit auf den NS angewandt und zugleich präzisiert werden. Mit Hilfe der Kategorie "Distanz" (Distanzgrade) werden dabei Zuschreibungen gekennzeichnet, die über die von Weber als Mindestanforderung für Charismatiker postulierte "Außeralltäglichkeit" hinausweisen. Darüber hinaus soll mit sozialpsychologischen Kriterien der Gruppensoziologie, beispielsweise der Peter R. Hofstätters, gearbeitet werden. Denn erst mit ihnen lässt sich der außerordentlich emotionale Gehalt der charismatischen Beziehung zwischen "Führer" und Volk schlüssig ergründen.

(gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung)

Kontakt

Veröffentlichungen

  • Steffen Mikolajczyk, Eine aufstrebende Industriestadt huldigt der Monarchie: Der Kaiserbesuch 1903, in: Werner Freitag/ Katrin Minner (Hg.), Vergnügen und Inszenierung, Stationen städtischer Festkultur in Halle, Halle 2004, S. 206-219.

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